Zu wenige Frauen in Aufsichtsgremien – Welche Mechanismen führen dazu, dass der Frauenanteil in Aufsichtsgremien so gering ist?
Die Wiener Gender-Forscherin Astrid Hainzl beschäftigte sich mit den Gründen, warum so wenige Frauen in den Aufsichtsgremien österreichischer Unternehmen vertreten sind. Im Mittelpunkt ihrer Untersuchungen standen dabei vor allem die sozialen Handlungsmuster, die den Weg von Frauen in solche Gremien erschweren oder blockieren.
Frauen sind in den Aufsichtsgremien großer Unternehmen immer noch drastisch unterrepräsentiert. In zahlreichen Ländern wurde in der jüngeren Vergangenheit eine Debatte über die Einführung von Frauenquoten in solchen Gremien geführt. In einigen Ländern hat man diesbezüglich zumindest für börsennotierte Unternehmen auch gesetzliche Quotenbestimmungen eingeführt, wie beispielsweise im Jahr 2016 in Deutschland für die 30 größten Unternehmen, die im deutschen Börsenindex DAX notieren. Mit solchen Maßnahmen werden aber nicht die Ursachen für die grundlegenden Genderungleichgewichte in Aufsichtsgremien bearbeitet oder beseitigt. Und gesetzliche Quotenregelungen werden auch von vielen Frauen abgelehnt, weil man nicht als „Quotenfrau“ betrachtet werden möchte. Obwohl in zahlreichen Studien der Nachweis geführt wurde, dass ein höherer Frauenanteil in Aufsichtsgremien der nachhaltigen Entwicklung dieser Unternehmen dient, hat sich an den grundlegenden Männer bevorzugenden Selektionsmechanismen für die Auswahl der Personen in diesen elitären Zirkel in den letzten Jahren wenig geändert.
Die Wiener Gender-Forscherin Astrid Hainzl hat das Thema der Unterrepräsentanz von Frauen in österreichischen Führungsgremien nun in einer Forschungsarbeit mit dem Titel „Die Reproduktion des männlichen Aufsichtsrates – Homosoziale Praktiken in der Evaluierung von Kandidatinnen und Kandidaten“ innovativ aufgegriffen. Durch ihre Arbeit wurden wesentliche Vorarbeiten für weitere Erkenntnisse über die komplexen Zusammenhänge von Geschlechterverhältnissen und Arbeitsprozessen geleistet.
Tradierte Rollenbilder stehen dem beruflichen Aufstieg der Frau im Weg
Sie erbrachte damit einen wissenschaftlich fundierten Beitrag im Bemühen um das Wissen, welche Mechanismen zu vertikaler Geschlechtersegregation führen, und wie man sie in weiterer Folge auch reduzieren kann. Astrid Hainzls Studie an der Schnittstelle von Wirtschaft und Gesellschaft beleuchtet das Faktum, dass trotz der öffentlichen Diskussion über den geringen Frauenanteil in den Aufsichtsgremien der österreichischen Gesellschaften eben dieser Anteil nur in geringem Maße steigt. Astrid Hainzl legt dabei den Fokus auf die Evaluierung von Zandidatinnen und Kandidaten. Dabei geht es aber nicht, wie von vielen bisherigen Studien forciert, um die Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Kandidatinnen und Kandidaten. Es wird vielmehr aufgezeigt, welche weitgehend unreflektierten und unbewusst stattfindenden homosozialen Praktiken zur Bevorzugung von Männern führen.
Untersuchung der homosozialen Praktiken bei Bewerbungsverfahren für Aufsichtsratspositionen
Auf der Grundlage einer qualitativ explorativen Studie mittels einer Reihe von Interviews mit ausgewählten Expertinnen und Experten, Aufsichtsratsmitgliedern und Vorständen sowie Personalberater_innen, die mit der Besetzung befasst sind, werden typische Charakteristika der Auswahl herausgearbeitet. Dabei zeigt sich ein Verhaltensmuster, das Männer bevorzugt, weil zum Beispiel Vertrauen in typischen Männerrunden und Männernetzwerken gebildet wird (im homosozialen Kontext), und dieses Vertrauen ausschlaggebendes Moment für die Besetzung der Gremien ist. Weder die fachliche Qualifikation noch die Notwendigkeit der unterschiedlichen Besetzung der einzelnen Positionen können dieses Kriterium schlagen. Die Arbeit zeigt, dass der Leim der persönlichen Bekanntschaft einer der maßgeblichen Schlüssel für die Besetzung ist. Astrid Hainzls Arbeit zeichnet sich besonders durch ihre Aktualität aus.
Das Thema der Aufsichtsratsbesetzung und -Zusammensetzung ist nicht nur medial, sondern auch politisch viel diskutiert. Derzeit ist ein Entwurf für eine EU-weite Vereinheitlichung der Auswahlbestimmungen in Ausarbeitung. In diesem wird verankert, dass die Auswahl nicht „unsachlich“ sein darf. Wissenschaftlich fundierte Argumentationen, wie sie mit Hainzls Arbeit vorliegen, sind nicht zuletzt aus diesen Gründen für die politik-vorbereitende Arbeit hilfreich.
Ein Blick auf die Zahlen der größten börsennotierten Unternehmen in Österreich zeigt, wie weit Österreich in diesem Bereich nachhinkt: In den Aufsichtsräten der Top-200-Unternehmen von Österreich liegt der Frauenanteil 2016 bei 17,7 %. Damit ist der Frauenanteil im Vergleich zum Jahr 2015 (16,2 %) zwar gestiegen, aber immer noch sehr gering. In den Vorständen ist der Frauenanteil noch geringer, dort liegt er 2016 bei 7,2 % und ist damit seit dem Vorjahr um 1,3 % gestiegen. Damit bleibt Österreich in Sachen Frauen in leitenden Positionen weit hinter dem EU-Durchschnitt von 21 %.
Astrid Hainzl, die für ihre Arbeit mit dem Gabriele-Possanner-Preis ausgezeichnet wurde, macht mit ihrer Studie die versteckten sozialen Muster sichtbar, die zu diesen Zahlen führen. Aus ihrer Arbeit lässt sich folgendes Fazit ziehen: In erster Linie muss der Prozess der Besetzung von Führungspositionen in Frage gestellt werden – vor allem dort, wo es um Qualifikationsanforderung und -messung geht. Laut Astrid Hainzl braucht es eine klare Profilerstellung in Abstimmung mit vorhandenen Eigenschaften und Qualifikationen der bestehenden Mitglieder, um die gängigen Muster bei Evaluierungsverfahren durchbrechen zu können.
Astrid Hainzl
Universitätsassistentin an der WU WIEN
„Die Reproduktion des männlichen Aufsichtsrates – Homosoziale Praktiken in der Evaluierung von Kandidatinnen und Kandidaten“
www.wu.ac.at