26.4.- 1.5.2023
Filme für Kopf-Hörer statt Laut-Sprecher: Das Programm des diesjährigen CROSSING EUROPE Filmfestivals schärft die Sinne.
Wie kann es passieren, dass junge Menschen in extremistische Kreise abdriften? Die aufstrebende, junge polnische Regisseurin Hanka Nobis hat für ihren Dokumentarfilm Polish Prayers, der auch beim diesjährigen CROSSING EUROPE Filmfestival zu sehen sein wird, über mehrere Jahre hinweg den Weg von Antek, der Hauptfigur ihres Filmes, begleitet. Antek, heute 22, wächst in einer streng katholischen Familie in Polen auf und kommt als Jugendlicher in Kontakt mit einer Katholischen „Bruderschaft“. Eine kleine, in sich geschlossene Gruppe gleichgesinnter junger Männer, die sich zunehmend radikalisiert. Hanka Nobis erlebt, wie Antek es genießt, in der Bruderschaft an Macht und Bedeutung zu gewinnen. Er wird zum Wortführer bei Gegendemos gegen die polnische Regenbogencommunity oder Anti-Abtreibungs-Demonstrationen. Als Antek aber ein Mädchen kennenlernt, kommen ihm langsam Zweifel. Hanka Nobis macht mit dieser Coming-Of-Age Geschichte deutlich, dass es meist harmlose, unmerkliche kleine Schritte sind, die junge Menschen in die Radikalität abgleiten lassen und die Gesellschaft in dialogunfähige isolierte Bubbles zerfallen lässt.
Das CROSSING EUROPE Filmfestival sticht diese Blasen mit seinem diesjährigen Programm an vielen Stellen auf. Die von Lotte Schreiber kuratierte Programmschiene Architektur und Gesellschaft setzt sich unter dem Motto „Ganz schön hässlich“ mit der Frage auseinander, wie es passieren konnte, dass wir gegen den profitmaximierenden Zersiedelungsflächenfraß mit seiner Belchbüchsenarchitektur ästhetisch weitgehend unempfindlich werden konnten. Der Film Tara, von Volker Sattel und Francesca Bertin dokumentiert den architektonischen und ästhetischen Wandel der süditalienischen Stadt Taranto, einstmals eine „Perle des Mittelmeers“, als Folge einer jahrzehntelangen gewissenlosen ökonomischen und ökologischen Ausbeutung. In Veronika Liškovás NÁVŠTĚVNÍCI / The Visitors wird nachgezeichnet, wie das ökologische Gleichgewicht in einer Kleinstadt in der spektakulären Landschaft Spitzbergens aus dem Gleichgewicht geraten konnte.
Im Rahmen YAAAS!, der Jugendschiene von CROSSING EUROPE, wird filminteressierten jungen Menschen die Möglichkeit geboten, in mehrtätigen Praxismodulen in verschiedenen Fachgebieten wie Kamera, Licht, Animation, Sound oder Regie erste Erfahrungen im Filmemachen zu sammeln.
Das Tribute-Programm des CROSSING EUROPE Filmfestivals ist heuer der griechischen Schauspielerin Angeliki Papoulia gewidmet. Für die Festivalintendantin Sabine Gebetsroither ist Papoulia „eine der kompromisslosesten und eindringlichsten Darstellerinnen des zeitgenössischen europäischen Autor:innenkinos“. Einer der im Rahmen dieser Reihe präsentierten Filme ist Isihia 6-9 / Silence 6-9 von Christos Passalis: An einem eigentümlich-isolierten Ort werden mit Antennen Stimmen verschwundener Menschen empfangen. Ein Film der sich rationalen Erzähllogiken entzieht, dafür aber aus der Fülle des träumerischen Potenzials des Kinos schöpft.
Antennen, um die Stimmen uns fremd gewordener Mitmenschen zu hören: Das CROSSING EUROPE Filmfestival hat eine Empfangsstation dazu aufgebaut.
CROSSING EUROPE Filmfestival 2023
26.4. – 1.5.2023
various locations, Linz
www.crossingeurope.at