22. – 26.09.2021.
Nur als ob – Das Philosophicum Lech erforscht die Grenzen zwischen Fiktion, Denken und Handeln.
“Metaverse”. Das wird „the next big thing“. Davon sind jedenfalls die Internetgiganten von Facebook bis Google überzeugt. Gemeint ist damit ein kollektiver virtueller Raum, der unsere physische Realität in ein virtuelles Habitat hinein erweitern soll.
Vor dem Hintergrund von Fake News, digitalen Fälschungen und Lügengebäuden, die unsere Urteilsfähigkeit heute bereits in der realen Welt zu überfordern drohen, geht das diesjährige Philosophicum Lech unter dem Titel „Als ob! Die Kraft der Fiktion“ der Frage nach, wie Illussionen und Täuschungen unser Denken und Handeln bestimmen.
Die Idee eines Metaversums, das im Science Fiction Klassiker „Matrix“ 1999 noch als ferne Utopie erschienen ist, ist für Venture Capital Investoren, Start-Up Unternehmer und Marc Zuckerberg heute schon so real, dass sie gerade dabei sind, Milliarden in die Erschaffung dieses fiktiven Paralleluniversums zu investieren. In der Hoffnung, damit noch mehr Milliarden zu verdienen und vor allem auch dieses Metaversum nach ihren Regeln gestalten und beherrschen zu können. Auf die eigene Wahrnehmung und seine Sinne kann man sich in so einer digitalen 3D-Welt nicht mehr verlassen. Schwerkraft und Naturgesetze gelten dort nicht mehr. Und wenn selbst das Leben dort zur Fiktion wird, dann verlieren auch die Grundlagen von Ethik und Moral wie wir sie heute noch verstehen ihre Bedeutung.
Die Idee eines sozialen Gedächtnisses oder, wie es Jan und Aleida Assmann abgewandelt nennen, eines Kulturellen Gedächtnisses, das sich aus einer „Tradition in uns“ definiert, „die sich in jahrtausendelanger Wiederholung gebildet hat und unser Selbst- und Weltbild prägen“, droht in dieser fiktiven Welt obsolet zu werden. Worin besteht aber die Macht und Faszination der Fiktion, die die Menschen massenhaft in ihren Bann zieht und ohne die Künste und auch Religionen nicht denkbar wären, Verschwörungstheorien ihren Boden verlieren und postdemokratische Populisten die Erfolgsgrundlagen für ihr „storytelling“ und ihre Lügenpropaganda verlieren würden? Jan Assmann geht beim Philosophicum Lech vor diesem Hintergrund der Frage nach dem Verhältnis von Religion und Fiktion nach.
Wie „Wahrheiten“ erfunden werden, damit beschäftigt sich der Germanist und Philosoph Thomas Strässle, der die Techniken Faketionalen Erzählens dekonstruiert, mit denen wir heute allzu oft über das Faktische hinweg getäuscht werden. Mit dem Verhältnis von Bildern und Fiktionen beschäftigt sich Lamberg Wiesing, der an der Universität Jena Bildtheorie und Phänomenologie lehrt: „Bilder sind keine Fiktionen“, konstatiert Wiesing zunächst prinzipiell, „aber sie werden leicht zu einer, nämlich immer dann, wenn sie dazu verwendet werden, etwas sehen zu lassen, was es nicht gibt.“
Welche Auswirkungen politischer Fiktionalismus auf die Demokratie hat, untersucht der Philosoph und Literaturwissenschaftler Andreas Urs Sommer.
Was aber viele Menschen wohl viel mehr interessiert: Wie steht es um die Liebe in künstlichen Welten, wenn wir in Zukunft wohl immer mehr damit rechnen müssen, auf humanoide Roboter oder andere künstliche Figuren zu treffen. Mit dieser Frage beschäftigt sich die Literatur- und Kulturwissenschaftlerin Sophie Wennerscheid und zitiert dabei Freud: „Die Befriedigung wird aus der Illusion gewonnen, die man als solche erkennt, ohne sich durch deren Abweichung von der Wirklichkeit im Genuss stören zu lassen.“
Philosophicum Lech 2021
22. – 26.09.2021
www.philosophicum.com