Der Weg von der Wegwerf- zur Kreislaufgesellschaft

Ein Gespräch mit Designaktivistin Sigrid Bürstmayr über Sharing Economy, umweltfreundliches Produktdesign und warum Recycling nicht immer die beste Option ist.

In immer schneller wachsenden Städten wachsen die Probleme des Energie- und Ressourcenverbrauchs mit. Angesichts des Klimawandels und der Tatsache, dass mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung bereits in konstant wachsenden Städten lebt, kommen der Organisation und dem Design von Städten mit ihren Auswirkungen auf den Ressourcenverbrauch eine zentrale Rolle im überwinden dieser Jahrhundert Herausforderung zu.

Sigrid Bürstmayr ist Designerin und Lehrende für soziales und nachhaltiges Design an der FH JOANNEUM in Graz. In ihren Lehrveranstaltungen, Publikationen und Projekten diskutiert sie Wege, um das derzeitige System zu ändern. Sie konzentriert sich auf Produktdesign in Bezug auf Kreislauf- und Sharing-Ökonomien, Urban Mining und Zero Waste. „Wir müssen vom linearen System zum Kreislaufsystem wechseln. Das bedeutet, dass wir Produkte, Materialien oder Gebäude wiederverwenden, reparieren, weiterverkaufen oder upcyceln können – immer und immer wieder. Und dann sollte einer der letzten Schritte sein, sie zu recyceln“, sagt Bürstmayr. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, unter denen Produkte hergestellt, konsumiert und letztendlich entsorgt werden, sind der größte Einflussfaktor auf den Ressourcenverbrauch. Auch das Recycling von Produkten erfordert viel Energie, zum Beispiel beim Schmelzen von Glas oder Metall, um neue Produkte herzustellen. „Am Anfang des Design- und Produktionsprozesses sollten wir darüber nachdenken, ob wir wirklich ein neues Produkt brauchen“, fordert Bürstmayr.

Sharing economy
Sharing-Dienste, Upcycling-Initiativen, Reparatur-Cafés oder Tauschpartys sind nur einige der Möglichkeiten, den Lebenszyklus von Produkten zu verlängern. Um lokale Netzwerke für verschiedene Formen der Wiederverwendung und Upcycling-Ökonomien zu etablieren, braucht es beide Seiten, den Bottom-up-Ansatz der Bürger und den Top-down-Ansatz der Stadtverwaltungen. „Wir müssen das Know-how der Politik, der Wirtschaft und der Menschen selbst kombinieren, um eine gute Gemeinschaft, glückliche Menschen und nachhaltige Städte zu schaffen“, sagt Bürstmayr. „Wiederverwenden erfordert tatsächlich viel Engagement, denn Wiederverwenden kann bedeuten, Produkte auf einer Swapping-Party zu tauschen, sie in einen Second-Hand-Laden zu bringen oder Dinge an die Nachbarn auszuleihen. Es ist eigentlich mehr ein soziales Engagement.“

Zero waste
Trotz all dieser Ansätze ist die Vermeidung von Abfall nahezu unmöglich. Es gibt zahlreiche Zero-Waste-Ansätze, die versuchen, sich gegen die Konsum- und Wegwerfgesellschaft aufzulehnen. Der durchschnittliche Österreicher produziert jeden Tag 1,5 Kilogramm Abfall (Quelle: zerowasteaustria.at). Wie kann dieses Null-Müll-Ziel auf Dauer funktionieren? „Zunächst einmal muss es einen Wandel rund um Zero Waste geben. In unseren entwickelten Ländern gibt es ein großes Abfallproblem. Allerdings ist das Abfallmanagement zu gut, so dass wir uns nicht daran denken, wohin unser Abfall geht und wer damit umgehen muss“, so Bürstmayr. „Ich denke, wir müssen unsere Wertvorstellungen diesbezüglich ändern und uns informieren.“ Es gibt bereits viele gute Beispiele, wie man aus biologisch abbaubaren Abfällen Produkte herstellen kann, um sie der Natur zurückzugeben. So gibt es zum Beispiel eine Firma, die Wasser in Blasen aus Seetang anstatt in Einweg-Plastikflaschen verpackt.

Konstruktion und Bau – die Ressourcen in unseren Städten
Der Abfall, den wir produzieren, und die Materialien, die wir verbrauchen, fallen nicht nur bei Alltagsprodukten an, sondern auch beim Bauen und in Gebäuden. Die Wiederverwendung von Baumaterialien kostet mehr Geld als der Kauf von neuem Material. Trotz des Mangels an Ressourcen haben wir es versäumt, die Strukturen für den Abbau der Ressourcen, die bereits in unseren Städten liegen, zu entwickeln. Laut Bürstmayr sind in unseren Straßen und Häusern, unter jedem Einwohner, hunderte Kilogramm Eisen, Aluminium, Kupfer, Zink und Blei versteckt. „Natürlich wäre es viel billiger, diese Materialien zu entnehmen, als sie aus weit entfernten Minen zu holen. Es ist ein großer Aufwand an Energie, Zeit und Transport“, sagt Bürstmayr. Aber es ist ein Umdenken zu erkennen. „Es gibt heute schon einige Firmen, die den wiederverwendungsorientierten Rückbau als Dienstleistung für die Bauherren anbieten. Und es gibt auch Second-Hand-Shops für Baumaterialien wie Fenster, Ziegel und Altholz.“

Designing Sustainable Cities
Eine Reihe von inspirierenden Beispielen für umsetzbare Ansätze, um das urbane Leben besser zu machen, werden in dem Buch „Designing Sustainable Cities“ von Sigrid Bürstmayr und Karl Stocker vorgestellt. Die Autoren untersuchen die Effizienz von Zertifikaten, Klimaanlagen für urbane Räume und neue ökologische, architektonische und soziologische Konzepte für Megastädte wie Detroit, Graz, Istanbul, Mexiko-Stadt und Puebla.