Sigmund Freud lebt! Zumindest als mit Hilfe von Deepfake-Techniken auferstandener untoter Avatar in der virtuellen Programmwelt von PARANOIA TV im Rahmen des diesjährigen steirischen herbstes. Da stellt sich natürlich die Frage: Wovor wird man sich mehr fürchten? Vor dem wiederauferstandenen Freud oder vor der Angst selbst?
Ekaterina Degot, die Intendantin des steirischen herbst, lehrt uns das Fürchten: „Paranoia TV ist überall“, lautet ihr Programmversprechen. Wir werden uns also von der Kunst in diesen unsicheren Zeiten wohlig verfolgt fühlen dürfen. Um Menschenansammlungen zu minimieren, kommt die Kunst zu den Menschen. Es werden Radiofrequenzen, Schaufenster, Photoautomaten und sogar die Pizzaschachteln von Essenszustelldiensten gekapert um die Programme unters Publikum zu bringen.
Wem das nicht reicht, der kann sich auch die PARANOIA TV App auf sein Handy laden: Permanente Verfolgung garantiert.
Im Forum Stadtpark wird unter dem Titel „Utopie. Konferenz für praktische Kritik“ utopistisches Denken zum Thema der Auseinandersetzung gemacht. Sie stellt zwar nicht die Frage „nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest“. Denn die Antwort darauf wäre bekanntermaßen einfach: 42. Aber sie spannt doch einen etwas breiteren Bogen. Von der idealen Pflege über das aktuelle Verhältnis von Mensch und Tier bis zu anti-rassistischen, feministischen, ökonomischen und demokratischen Utopien. Abgehandelt in 3 Tagen.
Das umfangreiche Festival Programm beheimatet heuer gleich drei weitere Festivals im Festival. Vom musikprotokoll, in diesem Jahr unter dem Motto „Hidden Sounds“, über die Murauer Initiative STUBENrein, die in den Gemeinden des Bezirkes Murau prozessorientierte Projekte in Reaktion auf die Corona Krise begleitet, bis zum neuen Literaturfestival „Out of Joint“, das vom Literaturhaus Graz unter der Leitung von Klaus Kastberger in den kommenden 3 Jahren in Zusammenarbeit mit dem steirischen herbst präsentiert wird.
Aus dem Paralleluniversum von PARANOIA TV und dem offiziellen Programm des steirischen herbst kann man aber auch in den von Ekaterina Degot „Parallelprogramm“ genannten Teil der Veranstaltungen überwechseln. Dort präsentieren Institutionen wie das Kunsthaus Graz, das esc medien kunst labor, der Grazer Kunstverein oder der Kunstverein < rotor > ihre Projekte. So stellt etwa Katrin Bolt in Zusammenarbeit mit dem Institut für Öffentlichen Raum ihren „Privaten EU Grenzzaun“ vor.
Vielleicht bietet ja der untote Freud Avatar auch für das „Parallelprogramm“ Heilung an. Schließlich hat er nicht nur die Paranoia, sondern auch die Schizophrenie behandelt.
steirischer herbst’20
24.9. – 18.10. 2020
Various Locations
www.steirischerherbst.at