Haben die einen Sprung in der Schüssel? Nicht trotz, sondern wegen Corona findet heuer die größte Ars Electronica, die es je gab, statt. „Wir wollen und können nicht akzeptieren, dass uns diese Pandemie nötigt, all das, was unsere pluralistische Gesellschaft ausmacht, einfach auszusetzen“, bekennt sich Gerfried Stocker, künstlerischer Leiter der Ars Electronica, zu der Entscheidung für die diesjährige Austragungsform des Festivals. „Gerade weil wir uns mitten in dieser Krise befinden und gerade weil all die Abstandsregeln und Hygienemaßnahmen sinnvoll und notwendig sind, dürfen wir nicht einfach zuhause bleiben, sondern müssen aktiv und kreativ darangehen, neue Formen des Dialogs und Austausches zu erproben.“
Erstmals findet das Festival von 9. bis 13. September nicht nur in Linz, sondern an 120 Orten weltweit statt und versammelt Projekte aus Kunst, Technologie und Gesellschaft, die via Streams mit dem Festival vor Ort verschmelzen.
Die Krise verändert die Welt grundlegend und hinterlässt eine allgemeine Unsicherheit, die uns Menschen als Individuen und als Gesellschaft prägt. Das Ars Electronica Festival macht sich auf die Reise von Asien und Ozeanien bis nach Nord- und Südamerika, Afrika und Europa und stellt die schlichte Frage, was jetzt zu tun ist?
In Metropolen wie in kleinen Orten hat man bereits begonnen, nicht nur über Probleme der Gegenwart nachzudenken, sondern an konkreten Ideen und Lösungen zu arbeiten: Vom Tokyo Garden über den panafrikanischen Garten in Johannesburg, nach Los Angeles und Auckland bis in den Garden of Curiosity in Buenos Aires und den Garten der Lüste in London finden Ausstellungen, Konferenzen, Performances, Konzerte und Workshops statt, die sich mit brennenden Themen wie AUTONOMY und DEMOCRACY sowie TECHNOLOGY und ECOLOGY auseinandersetzen.
In Kepler’s Garten
Das diesjährige Motto „In Kepler’s Gardens“ steht nicht nur für die vernetzten „Gärten“ weltweit, sondern auch für die neue Haupt- location am Campus der Johannes-Kepler- Universität, wo auf drei Bühnen Programm geboten wird. Neben Fixpunkten wie dem AIx- Music Festival und der STARTS Exhibition gibt es dieses Jahr auch eine Schau des LIT Linz Istitute of Technology und eine Garden Exhibition, in der kuriose Maschinen ein Margariten- Blütenblatt nach dem anderen zupfen. Der deutsche Künstler Sebastian Wolf hinterfragt mit seiner Installation lovesmenot unsere Beziehung zu Maschinen und die Absurdität der Überautomatisierung.
In den rund um den Park gelegenen Uni-Gebäuden werden Ausstellungen gezeigt und Konferenzen durchgeführt, die dieses Jahr ausschließlich im Rahmen geführter Rundgänge besucht werden können. Eine der Keynote-Speakerinnen ist die US-Künstlerin Lynn Hershman Leeson, die mit ihrer Arbeit „Shadow Stalker“ mit dem Prix Ars Electronica ausgezeichnet wurde. Die Installation zum Thema Geheimüberwachung demonstriert, wie ein einzelner Datenpunkt einen Cache mit persönlichen Informationen aufdecken kann.
So manch einer fühlt sich dieser Tage wohl wie der Künstler Michail Michailov: Orientierungslos auf einem Dach, auf der Suche nach neuen Wegen und Antworten für die Zukunft. Die Performance Roaming ist Teil des Gallery Spaces Garden, der digitale Kunstprojekte im Netz, einem weiteren zentralen Austragungsort des Festivals, versammelt.
Neben der WILD STATE Ausstellung in der Kunstuniversität und Programmpunkten im Ars Electronica Center präsentiert die Cyber Arts Ausstellung im OÖ Kulturquartier eine Aus- wahl der besten Medienkunstwerke des Jahres.
Eines davon ist Appropriate Response des deutschen Künstlers Mario Klingemann, eine mit künstlicher Intelligenz ausgestattete Anzeigetafel, wie wir sie von Flughäfen und Bahnhöfen vergangener Zeiten kennen. Davor kniend erhalten die Besucherinnen und Besucher eine einzigartige Lebensweisheit, deren Interpretation jeder und jedem selbst obliegt.
Vernetzte Köpfe rund um den Globus
Die Geste des Kniens steht für die Balance zwischen Hoffnung und Angst, wie man sie aus der Religion, heutzutage aber wohl auch aus Zukunftsentwürfen kennt. Nicht zuletzt sei „In Kepler’s Gardens“ auch ein klares Bekenntnis zur Wissenschaft und einer faktenbasierten und verantwortungsbereiten Art miteinander umzugehen. Das Ars Electronica Festival setzt ein Zeichen für Wissenschaft und
Kunst als Basis für Kultur und Zivilisation und will den intensiven intellektuellen, künstlerischen, menschlichen Kontakt, Austausch und Dialog aufrechterhalten. „Wir machen das, weil sich gerade jetzt – nicht trotz, sondern wegen Corona –unglaublich viele Menschen in aller Welt fragen, wie es mit uns weitergehen wird?“, sagt Stocker. „Und weil ebenso viele Menschen zurzeit – nicht trotz, sondern wegen Corona – die Hoffnung haben, dass wir diesmal echte Veränderungen zu Stande bringen.“ Bleibt nur zu hoffen.
Ars Electronica Festival In Kepler’s Gardens
09.09. – 13.09.2020 ars.electronica.art/keplersgardens
Tag 1: 09.09.2020
Ausstellung WILD STATE in der Kunstuniversität Linz
Deep Space 8K im Ars Electronica Center
Tag 2: 10.09.2020
Eröffnung Cyber Arts Exhibition im OÖ Kulturquartier
Tag 3: 11.09.2020
Eröffnung Kepler’s Garden am Campus der JKU
Tag 4: 12.09.2020
Kinder- und Jugendfestival CREATE YOUR WORLD, AIxMusic Festival Campus JKU
www.aec.at