„Der Film macht die Musik“ / Salzburg

Irritationen in einer fast perfekten Pastellwelt: Das Musikvideo zum Song "Smog" des Salzburger Synth-Duos MYNTH. Regie: Rupert Höller.

Musikvideos von jungen Salzburger Bands bugsieren die Musikstadt in die Gegenwart.

Wer wissen will, was sich in der Musikstadt Salzburg gegenwärtig tut, braucht sich nur die Musikvideos junger Salzburger Bands und Filmemacher im Internet anzuschauen. Die Qualität dieser Filme ist zum Teil außergewöhnlich. Und das kommt nicht von ungefähr.

In Salzburg sind in den vergangenen Jahren eine Reihe von Faktoren glücklich zusammen getroffen, die in diesem Bereich eine lebendige und gut vernetzte Szene aus beiden Genrebereichen entstehen haben lassen.

Zum einen ist die Musikstadt Salzburg mit der Universität Mozarteum ganz grundsätzlich ein interessanter Boden für junge Musiker. Die Gründung der FH-Salzburg mit ihren Ausbildungsschwerpunkten im Bereich Multi Media Art hat in den letzten Jahren aber auch zahlreiche junge Filmemacherinnen und Filmemacher in die Stadt gelockt, die alle auf der Suche nach realisierbaren Projekten waren und sind.

Musikvideos sind Gesamtkunstwerke, die jungen aufstrebenden Künstlern sowohl aus dem Bereich des Films als auch der Musik die Chance bieten, ihre künstlerische Handschrift zu entwickeln und zu zeigen. Es liegt also auf der Hand, dass sich gerade in einer Stadt von der Größe Salzburgs, diese Szenen eng miteinander vermischen und gemeinsam ihre Projekte entwickeln.

„Wannabe“ von Leyya. Regie: Rupert Höller

Zwei junge Salzburger Filmemacher, die auch im Musikvideobereich starke Impulse setzen, sind Bernhard Wenger und Rupert Höller, die in den vergangenen Jahren mit einer Reihe von Bands Musikvideoprojekte realisiert haben, die auch im gemeinsamen Vimeo-Channel „hoellerwenger“ online verfügbar sind.

Eine der Bands, für die Wenger und Höller Videos gedreht haben, ist das Salzburger Synth-Zwillings-Duo MYNTH, deren teilweise geheimnisvollen Sounds sich zwischen Elektronik, Pop und Trip- Hop bewegen. Das von Wenger und Höller gestaltete Musikvideo für den Mynth-Song „Smog“ wurde für den Berlin Music Video Award nominiert. Das Video erzeugt auf den ersten Blick durch schmeichelnde Pastelltöne eine scheinbare Zartheit und fast unwirkliche Perfektion, die aber immer wieder mit einfachen Mitteln auf verstörende Weise durchbrochen wird.

Auch für Bands und Formationen wie LEYYA, LEA SANTEE, MOSTA oder HEARTS HEARTS haben Wenger und Höller Musikvideos gestaltet und so nicht unwesentlich zu deren Erfolg beigetragen.

Der Karriereverlauf von Bernhard Wenger macht deutlich, welche Rolle Musikvideos für viele junge Filmemacher spielen: Sie bieten – auch wenn die Mittel limitiert sind – eine gute Gelegenheit, eine eigene Filmsprache zu entwickeln und mit den unterschiedlichsten filmischen Ausdrucksformen zu experimentieren. Was dabei zählt, ist nicht das Budget, sondern die Info Idee. Die gesammelten Erfahrungen und dabei entwickelten Stilmittel fließen oft in Filmprojekte in ganz anderen Genrebereichen ein. Der inzwischen mit zahlreichen Preisen, vom Max Ophüls Publikumspreis bis zum Diagonale Preis für den besten Kurzspielfilm ausgezeichnete Film Bernhard Wengers „Entschuldigung, ich suche den Tischtennisraum und meine Freundin“ lässt eine filmgestalterische Handschrift wiedererkennen, die schon in früheren Musikvideos sichtbar ist.

„Move on“ von Steaming Satellites. Regie: Gerald Sommerauer.

Auch die Salzburger Band STEAMING SATELLITES verdankt ihren Erfolg nicht zuletzt ihren Musikvideos. Das Video zu ihrem Song „The Sea“ stammt von der jungen Salzburger Filmemacherin Ricarda M. Holztrattner, die darüberhinaus auch als Scriptwriterin und Sounddesignerin arbeitet und zum Beispiel für Wim Wenders Film „Cathedrals of Culture“ den Sound gestaltet hat. Das häufige Wechseln zwischen den unterschiedlichsten Funktionen in den Übergangsbereichen zwischen Film, Musik und beispielsweise Sounddesign ist nicht untypisch in dieser jungen kreativen Szene.

Dass sich die Musik- und Filmszene immer wechselseitig inspirieren, zeigt auch der wunderbare Soundtrack für den Alpen-Western „Das Finstere Tal“ mit Tobias Moretti, den die STEAMING SATTELITES und ihr Keyboarder Matthäus Weber gestaltet haben.

Mitunter kann es für Musikvideos auch einiges an Kritik hageln. Das ist zum Beispiel dem Salzburger Musiker Jay (Marcus) Cooper, dessen Musik irgendwo zwischen Pixies und Beach Boys pendelt, mit seinem Musikvideo für den Song „More, more, more“ passiert, das in den sozialen Medien heftigen Sexismusvorwürfen ausgesetzt war.

Wie groß aber auch der Erfolg sein kann, den Bands mit Musikvideos erzielen können, zeigt der kometenhafte Erfolg des Salzburger Electronic-Duos KLANGKARUSSELL, deren Musikvideo „Sonnentanz“ inzwischen mehr als 31 Millionen mal online aufgerufen wurde und sowohl in Deutschland, Österreich, der Schweiz als auch Dänemark Top 5 Chart-Platzierungen erreichte.

Die Hintergrundgeschichte zum Song „Sonnentanz“ ist gleichzeitig auch exemplarisch für die Probleme, mit denen die aktuell auf EU-Ebene geführte Debatte zur möglichen Einführung von Uploadfiltern verbunden sein kann. Der Song wurde, wie heute in der Electronic- Music-Szene häufig der Fall, auch aus Loops von anderen Musikern gesampelt und gemischt. Die Frage nach der „Urheberschaft“ ist gerade im Bereich der elektronischen Musik heute in vielen Fällen kaum noch zu klären. Würden die von der EU-geplanten Upload-Filter so kommen, wie sie im Augenblick diskutiert werden, würden die Algorithmen der großen Streamingplattformen wohl den größten Teil dieses Musikgenres aus dem Internet verbannen (müssen).

„Wave de la Rave“ von The Tangerine Turnpike. Regie: Johannes Gierlinger und Stefan Wascher.

Mit der Frage, wie man verwischte Spuren wieder rekonstruieren könnte, hat sich der Salzburger Filmemacher, Medienkünstler und Fotograf Johannes Gierlinger auf ganz andere Weise auseinander gesetzt. In seinem aktuellen Film „Remapping the Origins“, der auch auf der diesjährigen Diagonale zu sehen sein wird, geht er der Frage nach, wie man die von vollkommen konträren politischen Sichtweisen geprägte Wahrnehmung der Geschichte der Stadt Bialystock in Polen wieder rekonstruieren könnte. Der vielseitige Filmemacher und Künstler hat unter anderem an der Akademie der bildenden Künste in Wien studiert und wurde für seine Arbeiten inzwischen mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Die Anfänge seiner Filmarbeit wurden ebenfalls von Musikvideoproduktionen mitgeprägt. Gierlinger hat beispielsweise Videos für Bands wie GIN GA oder die mittlerweile nicht mehr auftretende legendäre Salzburger Formation THE TANGERINE TURNPIKE gestaltet, mit deren Musikvideo zum Song „Wave De La Rave“ der damals erst 24-jährige Gierlinger auch seine erste Festivaleinladung zur Diagonale vor 10 Jahren erhalten hat.

Das Genre der Musikvideos hat, auch wenn es heute eine ganz andere mediale Position einnimmt als im Zeitalter von MTV oder VIVA, in den vergangenen Jahren einen großen wechselseitigen Einfluss auf die Karrieren von jungen Filmemachern und Musikern ausgeübt. Und wie es scheint, ganz besonders in der Musikstadt Salzburg.

Salzburger Bands

Steaming Satellites
www.steamingsatellites.de

23.03.2019 | 19:00
Club To Most @ Ottakringer Brauerei
Wien

18.05.2019 | 19:30
Rockhouse
Salzburg

23.05.2019 | 20:30
Cinema Paradiso
St Pölten

Mynth
mynthmusic.com

Klangkarussell
www.klangkarussell.com

Salzburger Filmemacher

Rupert Höller
www.ruperthoeller.com

Sebastian Mayr
vimeo.com/sebastianmayr

Reinhold Bidner
subcute.servus.at

Bernhard Wenger und Rupert Höller
vimeo.com/hoellerwenger

Johannes Gierlinger
www.johannesgierlinger.com

Salzburger Filmemacher auf der Diagonale`19

Guy proposes to his girlfriend on a mountain
Bernhard Wenger
20.03.2019 | 13:00, UCI Annenhof Saal
21.03.2019 | 23:00, UCI Annenhof Saal 6

Remapping the origins
Johannes Gierlinger
20.03.2019 | 18:00, Rechbauerkino
21.03.2019 | 10:30, Schubertkino 2