06.05. – 11.05.2019; Götzis
Reale Utopien. Die „Tage der Utopie“ in Götzis/Vorarlberg transformieren Systemkritik in real umsetzbare Visionen für eine gerechtere Welt.
In Vorarlberg stehen Utopien auf festem Boden. Wer durch die Bregenzer Innenstadt bummelt, kann im Boden eingelassene Täfelchen entdecken. Auf einem steht auf Italienisch: „Oh schöne Zeit der Täuschungen und Utopien“: Kritisches Querdenkertum mit Bodenhaftung sozusagen. Das ist auch die Devise der von Hans Joachim Gögl und Josef Kittinger ins Leben gerufenen „Tage der Utopie“, die jährlich im beschaulich gelegenen Bildungshaus St. Arbogast in Götzis stattfinden. In diesem Jahr steht die Frage im Mittelpunkt, wie aus prinzipieller Kritik an den Problemen der Gegenwart auch konstruktive Visionen entwickelt werden können.
Der Architekt Roland Gruber, Mitbegründer des auf die Entwicklung des ländlichen Raumes fokussierten Vereines „LandLuft“ , hat sich in zahlreichen Projekten mit der Entwicklung von Strategien für die lebenswerte Gestaltung von Orten und ihren sozialen Strukturen beschäftigt. Eines der vielerorts akutesten Probleme ist das Aussterben der Ortskerne durch Zersiedelung und Verlagerung der Handelsstrukturen in die Speckgürtel der Gemeinden. Unter dem Motto „Aus Donuts müssen Krapfen werden“ diskutiert Gruber in Götzis soziale und planerische Strategien zur Lösung dieser Probleme.
Die Journalistin und Internetexpertin Ingrid Brodnig beschäftigt sich bei den „Tagen der Utopie“ mit der Frage, welche Gestaltungsmöglichkeiten wir besitzen, um aus dem Internet wieder – ganz im Sinne der ursprünglichen damit verbundenen Vision – ein Instrument machen zu können, in dem ein freier, konstruktiver, demokratischer Diskurs nach fairen Regeln und mit fairer Machtverteilung stattfinden kann. Brodnig folgt dabei einer einfachen Prämisse: Das Internet ist von Menschenhand gemacht. Es kann von Menschenhand auch wieder geändert werden.
Der Konstanzer Psychologe, Friedensforscher und Menschenrechtsaktivist Thomas Gebauer, dessen von ihm mitinitiierte Kampagne gegen Landminen 1997 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde, untersucht bei den „Tagen der Utopie“, die oft zweischneidigen Strukturen von Hilfsprogrammen zwischen Charity und als Entwicklungshilfe getarnter nationaler Wirtschaftsförderung. Dazu formuliert er auch Thesen zu einer „anderen Hilfe“, die strukturelle Gewaltverhältnisse tatsächlich aufzulösen in der Lage wäre.
Die Extremismusforscherin Julia Ebner hat mit ihrem 2017 erschienen Buch „Wut – Was Islamismus und Rechtsextremismus mit uns machen“ für eine breite mediale Debatte gesorgt. Sie sieht in dem sich wechselseitig aufschaukelndem Teufelskreis aus islamistischem Extremismus und Rechtsextremismus vor allem die schweigende liberale Mitte in der Pflicht, durch deren Tatenlosigkeit die Wut an den Rändern der Gesellschaft überhaupt erst wachsen konnte. Ebner entlarvt die Kommunikationsstrategien der Extremisten und liefert bei den „Tagen der Utopie“ die Analyse für einen Diskurs über die Frage, was jeder Einzelne zur Eindämmung von Hetze und Gesellschaftsspaltung und für eine sozial integrierte Gesellschaft beitragen kann.
Die „Tage der Utopie“ in Götzis schaffen einen Rahmen, der uns Denk- und Handlungsmöglichkeiten aufzeigt, wie wir vor den komplexen Herausforderungen der Gegenwart keinesfalls kapitulieren müssen. Denn: Nur wer keine Visionen hat, braucht bald einen Arzt.
Tage der Utopie
Vorträge, Dialoge, Neue Musik
06.05. – 11.05.2019
www.tagederutopie.org
Montag, 06.05.2019
Kloster für Innovation
Dark Horse: Organisationsentwicklung/Unternehmenskultur
Dienstag, 07.05.2019
Das gerechte Netz. Eine Utopie des Internets
Ingrid Brodnig
Mittwoch, 08.05.2019
Aus Donuts müssen Krapfen werden!
Entwicklungsstrategien für den ländlichen Raum
Roland Gruber
Donnerstag, 09.05.2019
Zur Zukunft des politischen Dialogs.
Wie es gelingt, den politischen Diskurs von den Rechtspopulisten zurückzugewinnen
Julia Ebner
Freitag, 10.05.0219
Eine Utopie des Helfens. Wege aus der globalen Krise
Thomas Gebauer