
Autonomie und Vielfalt bei der ARGEkultur. Salzburg.
Das waren noch Zeiten: Als sich Anfang der 1980er Jahre in Salzburg die ARGEkultur konstituierte, konnte man sich noch genüsslich an der Hochkultur reiben. Cirka 50 Kulturinitiativen schlossen sich damals zu einer Protestbewegung zusammen um sich gegen die Dominanz der „Festspielkultur“ in der Stadt zu wenden und eigene Produktionsräume für die freie Kulturszene zu verlangen.
Mehrere Demos zeigten schließlich auch bei der Politik ihre Wirkung und man erhielt Mitte der 80er Jahre das Angebot, den damaligen HTL-Lehrbauhof im Nonntal als autonom verwaltetes Kulturgelände zu nutzen. Für die Entwicklung der freien Kulturszene in Salzburg ein wichtiger Meilenstein: Denn erstmals hatte die bis dahin sehr kleinteilig und verstreut agierende freie Szene der Stadt auch einen zentralen Produktionsort zur Verfügung, der ihnen auch Gelegenheit bot, ihre Arbeit im Bewusstsein einer breiteren Öffentlichkeit zu verankern. Die damals schon recht abgenutzten Gebäude des Lehrbauhofes verströmten das Flair einer lebendigen „Alternativszene“. Improvisation stand auf der Tagesordnung. Regelmäßig begleitet von Stromausfällen und anderen kleineren oder größeren technischen Gebrechen. Trotzdem trug der Ort dazu bei, dass sich die im Kulturgelände Nonntal versammelten Kulturinitiativen aus den unterschiedlichsten Genrebereichen in ihrer Arbeit Schritt für Schritt zu professionalisieren begannen.
Rasch wurde der Ruf nach einer wirklich professionell nutzbaren Gebäudeinfrastruktur laut und Ende der 90er Jahre waren Land und Stadt Salzburg gemeinsam bereit, auf Grundlage des damals erarbeiteten Kulturstättenplanes das Budget für einen kompletten Neubau in die Hand zu nehmen. Eingebettet in ein übergeordnetes Stadtteilentwicklungskonzept für das Stadtgebiet im Nonntal, das auch den Neubau von Universitätsgebäuden und Sportstätten vorsah, wurde ein Architekturwettbewerb für ein neues Gebäude der ARGEkultur ausgelobt, den das Architektenteam Gerhard Kopeinig und Gerhard Kresitschnig gewann.
2005 fertiggestellt, bot das neue Haus nun auch Platz für die Studios des freien Radios „Radiofabrik“, die bis dahin in Containern am alten ARGE-Gelände untergebracht waren. Heute gehen im Haus der ARGEkultur Dutzende freie Kulturinitiativen ein und aus oder haben dort auch dauerhaft Räume bezogen. Von der ChoregrafInnen Plattform tanz_house über die Plattform für Medienkunst subnet bis zum Theaterverein ecce. Aus der Verbindung von Kulturvereinigungen und freien Medien an einem Ort ist ein Netzwerk einer kritischen Gegenöffentlichkeit in Salzburg entstanden. Allein am Programm der Radiofabrik arbeiten cirka 300 Programmmacherinnen und Programmmacher aus den unterschiedlichsten Kulturen und Millieus mit, sagt die Programmgeschäftsführerin der Radiofabrik, Eva Schmidhuber. Gesendet wir nicht nur auf Deutsch sondern in zahlreichen Sprachen in Salzburg lebender Minderheiten. Von Farsi über Spanisch, Französisch und Englisch bis zu Paschtu und Urdu.
Der Dachverein der ARGEkultur hat eine Doppelfunktion. Einerseits bildet er die gemeinsame Plattform aller autonom arbeitenden Kulturinitiativen, die das Haus für ihre eigenen Arbeiten nutzen können. Andererseits ist der Dachverein auch selbst Veranstalter und sorgt damit auch für eine kontinuierliche Bespielung und Programmierung. Mehr als 300 Veranstaltungen finden mittlerweile jährlich im Haus statt. Neben zahlreichen Veranstaltungsreihen in den unterschiedlichsten Genrebereichen, veranstaltet die ARGEkultur seit 10 Jahren immer im November auch das OPEN MIND Festival.
Um auch für experimentellere Kulturformen Budget übrig zu haben, setzt man seit einigen Jahren auch auf Veranstaltungsformate, mit denen sich entsprechende Deckungsbeiträge erwirtschaften lassen. Nicht zuletzt deshalb hat sich die ARGEkultur in jüngerer Zeit auch zu einem fixen Veranstaltungsort der heimischen Karbarettszene entwickelt. Damit lockt man andere Publikumsschichten ins Haus, die früher vielleicht noch nicht gekommen sind.
Durch die in der unmittelbaren Nachbarschaft befindlichen Universitätsgebäude kommen inzwischen auch viele Studentinnen und Studenten ins Haus oder zumindest ins ARGE Beisl mit seinem gemütlichen Gastgarten.
Im neugestalteten Stadtviertel im Nonntal, das viel Grünraum und Freiflächen zur Erholung bietet, übernimmt die ARGEkultur zunehmend auch soziale Aufgaben und Funktionen: Krabelstube und Kindergarten inklusive.
Ein gewisser „Verbürgerlichungsprozess“ der einst wilden Protestszene ist jedenfalls nicht in Abrede zu stellen.
Für die Zukunft wünscht sich Daniela Gmachl, die Geschäftsführerin der ARGEkultur, daher auch dass es gelingt einen laufenden Generationenwechsel der im Haus aktiven Personen und Gruppen zu gewährleisten. Das sieht auch Marius Schebella ähnlich. Für den Obmann des Vereins subnet, der Medienkunstprojekte umsetzt und sich mit den kulturellen und gesellschaftlichen Auswirkungen digitaler Technologien auseinandersetzt, ist „Sauerstoffzufuhr immer wichtig“. Schebella unterstreicht gleichzeitig die wichtige Funktion der ARGEkultur für die freie Kulturszene in Salzburg: „In einer kleinen Stadt wie Salzburg ist man auf Kooperation angewiesen“, sagt er „und dafür bietet die ARGEkultur eine wichtige Plattform.“
Auf Ebene der Gesamtprogrammplanung der ARGEkultur hat man den angestrebten Generationenwechsel erst unlängst vollzogen: Sebastian Linz wurde zum neuen Programmleiter bestellt und ist heuer erstmals für das Programm des OPEN MIND FESTIVALS verantwortlich. Unter dem Motto WHAT´S LEFT / WHAT´S RIGHT geht das Festival in diesem Jahr Fragen nach den unüberschaubar geworden Verschiebungen der politischen und gesellschaftlichen Gemengelage auf den Grund, die sich auf einer mittlerweile überkommenen links/rechts-Achse wohl kaum noch einordnen lassen.
ARGEkultur
Ulrike-Gschwandtner-Straße 5
5020 Salzburg
www.argekultur.at
Verfasst: August 2018