„steirischer herbst’18 im Oktober“ / Graz

Michael Portnoy, Großvater Joe.

20.09. – 14.10.2018; Graz.
3 Wochen zeigt das Avantgarde-Festival in Graz, wie Kunst unsere Überzeugungen erschüttern und zerstörend Neues schaffen kann.

Die Spätstarter im Oktober sind genauso laut und rütteln an unerwarteten Ecken wach.

Im Orpheum wird mit dem Heimatabend Conchita vs. Gabalier der „nationale Körper“ erforscht. Weltoffenheit, Liberalität trifft auf Heimatbeschwörung, Traditionalität zwei polarisierende Ansätze die nicht frei von Fiktion sind. Wo steht Österreich?

Ebenfalls im Orpheum verortet ist Michael Portnoy mit seiner Performance „Touching on Everything„, die auf Fragmenten des allegorisch jiddischen satirischen Stückes „All Things Touch All Other Things Eventually“ von Yosef Birnheim basiert:
Ein sinnlich und absurd moralischer Tanz der Konzepte schüttelt die Freiheit in einer Ecke von Krämpfen, während der Nationalismus neckend seinen Fuß in den Mund von Gender steckt.

Das „Land der Musik„, Österreich! Ein Selbstverständnis, das angesichts der gegenwärtigen politischen Lage an beängstigender Aktualität gewinnt. Das Neujahrskonzert „Land der Musik“ im musikprotoll ist eine musikalische Collage des Komponisten, Filmemachers, Künstlers und Copyleft-Aktivisten Christian von Borries, vorgetragen von einem Orchester. Darin nimmt sich ein algorithmisches Sampling der charakteristischen Merkmale identitätsstiftender Lieder vor. Von Ludwig van Beethoven über Gustav Mahler bis hin zu Johann Strauss und Erwin Schulhoff, werden jene Lieder zu einem Neujahrskonzert de- und rekonstruiert, die für die Konstruktion der nationalen Identität Österreichs von entscheidender Bedeutung waren.

„Es wird nicht ohne hässliche Bilder gehen,“ so Sebastian Kurz, Österreichs heutiger Bundeskanzler, 2016 in Bezug auf Abbilder namenloser, anonymer, depersonalisierter, gestrandeter und ihres Existenzrechts beraubter Geflüchtete an der griechisch-mazedonischen Grenze. Bilder, die heute nichts Besonderes mehr zu sein scheinen. Der Zustand der Krise unterschiedlicher Gesellschaften, Gründe und Intensität brachte eine Flut von Bildern, die Gewalt zeigen und selbst implizit gewalttätig sind. Im Symposion über Fotografie XXI: Die Gewalt der Bilder gehen TheoretikerInnen und KünstlerInnen der Frage nach, wie man solche gewalttätigen Bilder vor dem Hintergrund eines dysfunktionalen politischen Terrains und einer neokolonialen Weltordnung verstehen und ihnen entgegenwirken kann.

Im Literaturhaus Graz kann man, gelesen von der Rapperin und bildenden Künstlerin Esra Özmen, in Auszügen durch Nâzım Hikmets „Menschenlandschaften. Eine polyphone Gesellschaftskritik“ tauchen. Nâzım Hikmet ist weltweit als einer der großen Dichter des gesellschaftlichen Bewusstseins anerkannt. Ein dissidenter Autor, der für seine, die türkische Dichtung revolutionierenden Bücher und die unterhörte Mischung aus Poesie und politischen Engagement mit der er hervortrat, mit mehreren langjährigen Gefängnisaufenthalten bestraft wurde. Sein episches Meisterwerk Menschenlandschaften wurde in meheren Haftanstalten und unter schwierigsten Umständen geschrieben. Ein Versepos, mit dem er ein großartiges Panorama seiner Zeit und Gesellschaft entwirft, so der Literaturkritiker und Moderator der Veranstaltung Erhan Altan. Eine Vielstimmigkeit, die von gesellschaftlichen Informationen durchdrungen und durch lyrisches Gefühl und menschliches Streben belebt ist.
Im Anschluss an die Lesung folgt ein Gespräch mit Erich Klein, Kerem Öktem und Esra Özmen, die Hikmets politisch engagiertes literarisches Schaffen diskutieren und über aktuelle gesellschaftspolitische Entwicklungen reflektieren, einschließlich der Populismus-Debatte sowie des stets zwiespältigen Begriffs des „Volkes“ in Österreich und der Türkei.

 

steirischer herbst’18 im Oktober
20.09. – 14.10.2018
Various locations
www.steirischerherbst.at

Nâzım Hikmets Menschenlandschaften. Eine polyphone Gesellschaftskritik
04.10.2018 | 19:00
Literaturhaus Graz
im Rahmen des steirischen herbstes

Symposion über Fotografie XXI: Die Gewalt der Bilder
05.10.2018 | 16.00-20.00
06.10.2018 | 14.00-20.00
Camera Austria
im Rahmen des steirischen herbstes

Christian von Borries, „Land der Musik“ – ein Neujahrskonzert (2018)
07.10.2018 | 19:30
Helmut List Halle
im Rahmen des steirischen herbstes

Michael Portnoy, Touching on Everything (2018)
12.10.2018 | 19:00
Orpheum
im Rahmen des steirischen herbstes

Conchita vs. Gabalier. Von der „Insel der Seligen“ zur illiberalen Demokratie? Österreich zwischen Tradition und Moderne, zwischen Verschwinden und Wiederkehr. Ein Heimatabend
13.10.2018 | 19:00
Orpheum
im Rahmen des steirischen herbstes