2017
Selbstreflexiver Kunstbezug allein ist Barbara Steiner zu wenig.
„Friendly Alien“ hat man das Kunsthaus Graz schon bei seiner Eröffnung im Jahr 2003 genannt. Und irgendwie ist es das bis dato auch geblieben. Ein Fremdling. Äußerlich von den Grazern freundlich akzeptiert, aber mit gewissen „Integrationsproblemen“.
Trotz etlicher Anläufe in den ersten Jahren sind das Kunsthaus Graz und die sehr virulente freie Grazer Kunstszene mit ihren zahlreichen sehr profilierten freien Kunstinstitutionen einander nie wirklich „grün“ geworden. Gemeinsame Projekte wirkten meist ein wenig hölzern, was auch mit der Grundskepsis zu tun hatte, mit der sich handelnde Personen gegenüber gestanden sind.
Barbara Steiner, die neue Leiterin des Grazer Kunsthauses, die das Programm 2017 noch weitgehend von ihren Vorgängern geerbet hat, hat sich vorgenommen, das zu ändern: „Mich interessiert das Prinzip der guten Nachbarschaft“, wie sie in einem Interview für die Kulturzeitung 80 sagt. „Ich sehe es als Problem, dass das Kunsthaus, was Aufmerksamkeit und Ressourcen anbelangt, sehr stark ist, während es für andere in Zeiten knapper Kassen immer schwieriger wird, Programm zu machen. Ich könnte mich diesbezüglich beruhigt zurücklehnen, doch braucht eine kulturell lebendige Stadt meines Erachtens viele starke Player unterschiedlicher Größenordnung. Ich bin gerade dabei, Kooperationen auszuloten, u.a. mit Camera Austria, die ein weit über die Steiermark hinaus strahlendes, großartiges Programm unter schwierigen Umständen macht. Aber auch mit dem steirischen herbst, der Neuen Galerie und < rotor > zeichnet sich eine anregende Zusammenarbeit ab. Und das heißt weder, dass alles im Kunsthaus stattfinden muss, noch dass die Inhalte vom Kunsthaus diktiert werden.“
Offenheit legt Steiner auch an den Tag, wenn es gilt auf zukünftige Besucher zuzugehen: „Das Publikum hat sich in immer kleinere Gruppen ausdifferenziert, deren Interessen anspruchsvoll und kaum zu Deckung zu bringen sind. Es ist meiner Meinung nach an der Zeit, wieder Brücken zu bauen und die Kräfte in Verbindendes zu investieren.“
Die Pfeiler, auf die sie diese Brücken bauen will, sucht sie insbesondere außerhalb eines hermetisch in sich selbst abgeschlossenen Kunstdiskurses. Sie will nicht, wie sie es nennt „Kunst-Kunst“ sondern „Kunst plus“ zeigen. Ein selbstbezogener Bildender-Kunst-Diskurs interessiert Steiner wenig. Sie sucht vielmehr die Auseinandersetzung mit Fragestellungen aus sozialen, politischen und wirtschaftlichen Bereichen. Die kritische Reflexion wirtschaftlicher Fragen ist schon seit längerer Zeit Gegenstand von Steiners Projekten. Zuletzt etwa im Rahmen des großangelegten Forschungs- und Ausstellungsprojektes „Freund_innen, Kompliz_innen“, das sich mit den Ökonomisierungsprozessen in der Kunst und Auswirkungen auf Kunstproduktion, Gemeinschaft und Gemeinwohl auseinandersetzt.
Barbara Steiner interessieren Grenzüberschreitungen zu benachbarten Disziplinen wie Design, Architektur, Musik. Sie sieht gerade in der Steiermark dafür eine starke Tradition. Die Ausstellung „Graz Architektur – Rationalisten, Ästheten, Magengrubenarchitekten, Demokraten, Mediakraten“ im kommenden Herbst ist ein Beispiel dafür. Architektinnen und Architekten wie Huth, Frey, Domenig, Hafner haben schon in den vergangenen Jahrzehnten gezeigt, dass Architektur auch Utopien mitformuliert. Mit der Betrachtung von Utopien der Vergangenheit befindet man sich gleichzeitig unweigerlich in einem Diskurs über die Weiterentwicklung dieser Ideen. Mit solchen Herangehensweisen will Steiner das Kunsthaus Graz künftig auch viel stärker als Ort des gesellschaftspolitischen Diskurses verankern und nicht nur das Kunst-Kernpublikum erreichen. „Mir geht es bei jeder Ausstellung auch um die Frage: Wie schaffen wir Anknüpfungspunkte für Menschen, die mit zeitgenössischer Kunst nicht viel anfangen können?“ Dabei sind Steiner alle Ebenen der Kommunikation wichtig. „Wir haben bei spielsweise unsere Katalogproduktion und unsere Kommunikationsträger gründlich überdacht. Die Texte sollen auch für Laien gut verständlich sein.“ Die Strategie ist klar: Barbara Steiner will ihr Publikum über die gesellschaftspolitische Relevanz der Inhalte und nicht so sehr über die Strahlkraft großer Namen der Kunstszene gewinnen.
„Blockbuster“-Ausstellungen funktionieren aus Sicht Steiners nur kurzfristig. Langfristig profitieren sowohl die Häuser als auch die Region, immer weniger davon. Fragen nach solchen Ansätzen steht sie daher auch distanziert gegenüber: „Ich weigere mich immer, von einem Highlight zu sprechen. Das hängt ja immer von der jeweiligen Perspektive ab. Für viele Menschen in der Steiermark mag Erwin Wurm das Highlight sein. Für Fachleute ist es vermutlich Koki Tanaka, da er international gerade durchstartet.“
In Graz sieht Steiner für ihre Arbeitsweise und Ziele sehr gute Rahmenbedingungen: „Mich begeistert einiges: Zum Einen liegt Graz geografisch ideal. Zum Anderen hat Graz im Kulturbereich eine interessante Vergangenheit und eine lange Tradition im Transdisziplinären vorzuweisen. Derzeit haben einige, im positiven Sinne ambitionierte Persönlichkeiten wichtige Funktionen im Kulturbereich inne. Sie alle wollen in dieser Stadt etwas voranbringen.
INFO Kunsthaus Graz Programm Taumel Navigieren im Unbekannten Bis 21.05.2017 Erwin Wurm Fußballgroßer Tonklumpen auf hellblauem Autodach Bis 20.08.2017 Haegue Yang The VIP’s Union 23.06.2017-02.04.2018 Koki Tanaka Provisorische Studien (Arbeitstitel) 23.06.-27.08.2017 Museum as Toolbox Wie kommuniziert ein Museum? 08.09.-15.10.2017 Graz Architektur Rationalisten, Ästheten, Magengrubenarchitekten, Demokraten, Mediakraten 23.09.2017-28.01.2018 Auf ins Ungewisse Über die Entstehung des Kunsthauses und das Verhältnis zwischen visionären Ideen und deren Umsetzung. 23.09.2017-25.03.2018 www.museum-joanneum.at/kunsthaus-graz