Das Salzburger Bureau du Grand Mot bringt mit seinen Netzwerkpartnern gehörigen Schwung in die freie Salzburger Kulturszene. Die große Stärke dieser jungen Aktivisten: ihr Wille zur Kooperation.
Am Anfang war das Wort.“ Bei den wöchentlichen informellen Literaturstammtischtreffen im Salzburger Café Central wurde viel geredet. Aus der Gruppe, die sich dort traf, ist dann fast nebenbei das Kunstkollektiv Bureau du Grand Mot hervorgegangen. Der Kern der gemeinsamen Aktivitäten war zunächst die Literatur. Nachdem aber fast jeder der Bureau-Aktivisten der ersten Stunde auch Querverbindungen zu anderen Genrebereichen hatte und man sich die Offenheit gegenüber allen Kunstformen zum Grundsatz gemacht hat, ist daraus rasch ein multidisziplinäres Kunstkollektiv geworden:
Multitalent Peter Wolfgang Wetzelsberger ist sowohl als Autor, Songschreiber, Zeichner, Radiomacher (Gründer der Sendung „Artarium“ für die Radiofabrik Salzburg) als auch als elektronischer Musiker Wolfwetz aktiv. Der Schriftsteller Marko Dinic veranstaltet die Literatur-Crossover Reihe Kulturkeule. Josef Kirchner und Sarah Oswald geben die Literaturzeitschrift Mosaik heraus, die mittlerweile auch eine kleine Verlagsedition aufgebaut hat. Inzwischen hat das Bureau auch ein eigenes Netlabel Labor L‘Art gegründet, das man künftig auch verstärkt als Videoplattform ausbauen will.
Das Bureau du Grand Mot versteht sich als offene Gruppe ohne Hierarchien. Es gibt keine fixen Mitgliedschaften, mit denen man sich nach außen abschotten würde. Ständig klinken sich neue Personen in die Kunstgruppe ein und andere ziehen weiter. Zusammenarbeit wird großgeschrieben: Gemeinsam mit den Kollegen von My Sound Of Music, die in Salzburg auch ein Musikfilmfestival veranstalten, hat man die Open-Air-Sommerkinoreihe Zur Schreienden Nachtigall organisiert. Auch beim Salzburger Interlab Festival, das als transdisziplinäres Festival seinen Bogen von Videokunst über Urban Design bis zu Musik, Theater und Literatur spannt, hat das Bureau du Grand Mot eng im Netzwerk mit anderen Gruppen mitgearbeitet. Ein anderer Partner bei diesem Festival ist zum Beispiel die disposed die sich mit der kulturellen Nutzung von Leerständen beschäftigt.
Josef Kirchner vom Bureau du Grand Mot sieht die Größe der Stadt als Vorteil: „Salzburg ist gerade groß genug, damit sich auch eine lebendige Szene entwickeln kann. Die Stadt ist gleichzeitig aber auch klein genug, um jedem – auch wenn er von außen kommt – sehr rasch einen Einstieg in die Community zu ermöglichen.“ Während sich in größeren Städten einzelne Subkulturen innerhalb der kulturaktiven Szene zwar weiter ausdifferenzieren, entwickeln diese Subcommunities dann gleichzeitig auch eher die Tendenz, sich voneinander abzuschotten, ist Kirchner überzeugt. „In einer Stadt wie Salzburg ist das anders“, meint er. „Wir leben davon, dass wir interdisziplinär zusammenarbeiten und stehen gleichzeitig nicht unter dem Erwartungs- und Wettbewerbsdruck von Metropolen, wo beinahe ein Zwang besteht, ständig neue Formate entwickeln zu müssen. Dadurch kann man sich viel besser auf die eigentlichen Inhalte konzentrieren und hat in Wahrheit zugleich auch mehr Freiraum für interdisziplinäre Experimente.“
Kirchner sieht das Geflecht der zahlreichen kleinen Festivals, Projekte und Initiativen, die mittlerweile aus dem Dunstkreis rund um das Bureau du Grand Mot hervorgingen oder mit ihm verwoben sind als eine Art „3. Welle“ innerhalb der Salzburger Kulturlandschaft. Neben den Einrichtungen der Hochkultur und den ebenfalls bereits etablierten Institutionen der freien Szene wie der Elisabethbühne, der Szene Salzburg etc., deren Wurzeln in die 70er- bis 90er-Jahre zurückreichen und die ihrerseits inzwischen bereits ihren eigenen institutionellen Zwängen unterliegen. „Wir arbeiten auch mit den ‚etablierten’ Institutionen der freien Szene in Salzburg gut zusammen. Viele, die in unserem Kunstkollektiv mitarbeiten, sind auch gleichzeitig bei einer dieser Einrichtungen beschäftigt. Aber der inhaltliche Austausch findet dabei hauptsächlich auf der Ebene unserer Generation statt. Nicht so sehr mit der Führungsebene dieser größeren Institutionen.“
Es ist eine neue Generation an Kulturaktivisten, die hier in Salzburg herangewachsen ist. Kooperation statt Konkurrenz lautet die Devise. Der Habitus dieser „Digital Natives“ ist von einer durch die sozialen Medien mitbeeinflussten Kultur des Miteinanders geprägt. Während die freien Gruppen der 70er-, 80er-Jahre zunehmend von der Selbstbeschäftigung aufgesaugt werden, wie sie ihre über die Jahre aufgebauten Strukturen auch absichern können, belasten sich die in den 2000er- und 2010er-Jahren neu entstandenen Gruppen mit solchen Fragen kaum. Das Bureau du Grand Mot hatte zwar in den vergangenen Jahren ein Förderatelier im Haus des Salzburger Kunstvereins, aber dort zog schon die nächste Gruppe ein. Der Salon Franziska, der sich mit alternativen Nutzungen öffentlicher und privater Räume beschäftigt. Das Bureau du Grand Mot zog inzwischen ins Salzburger Volksheim weiter.
Dieses Stadtnomadentum wird so gleichzeitig Teil der Identität dieser freien Gruppen. Durch ständiges sich neu Aneignen und auch wieder Aufgeben von Orten entgeht man einerseits der Gefahr institutionell und inhaltlich zu verkrusten. Andererseits ergeben sich aus dieser „Nomadologie“ auch immer wieder neue Kooperationen, Inhalte und Perspektiven auf die Stadt selbst, die die etablierten Kultureinrichtungen gar nicht wahrzunehmen in der Lage sind.
Die im Sommer scheinbar alles in der Stadt beherrschenden Salzburger Festspiele interessieren das junge Kunstkollektiv nicht besonders. Für die jungen Kunstaktivisten ist der große Festspiel-Kulturtanker ein Paralleluniversum, der mit dem eigentlichen Kulturleben von Salzburg ohnehin kaum etwas zu tun hat. „Das Kulturleben geht in Salzburg auch während der Festspielzeit weiter“, meint Josef Kirchner ironisch und selbstbewusst zugleich. Und so ist diese junge freie Szene unbekümmert und irgendwie auch unaufhaltsam dabei, Salzburg kulturell ins 21. Jahrhundert zu schubsen. Abseits des Establishments.
INFO: Kleiner Onlineguide zur „3. Welle“ der freien Salzburger Kultur- & Kreativszene: Bureau du Grand Mot Das Kunstkollektiv belebt mit zahlreichen eigenen Projekten und Kooperationen die junge Salzburger Kulturszene. Vor allem im Bereich Literatur, Musik und Film. www.bureaudugrandmot.wordpress.com Mosaik Die Literaturzeitschrift des Bureau du Grand Mot erscheint gratis 4 x jährlich. www.mosaikzeitschrift.at Labor L’Art Das Netlabel des „Bureau“ bringt neben Musik auch Filme heraus. www.laborlart.at Zur Schreienden Nachtigall Open-Air-Sommerkino und Musikprogramm. Eine Kooperation des „Bureau“ mit den „My Sound Of Music“-Organisatoren. facebook.com/zurschreiendenNachtigall Interlab Festival Festival für transdisziplinäre Kunst und Musik. Ein Community-Projekt in Zusammenarbeit u.a. von „Super-Initiative“, „My Sound of Music“, „Bureau du Grand Mot“, „Toihaus“ und „Radiofabrik“. www.interlab.at My Sound Of Music Plattform. Schnittstelle. Hybrid und Musikfilmfestival. Musikkultur als Spiegel der Gesellschaft in allen Facetten. www.mysoundofmusic.at Super Initiative Aktionsgruppe zur Nutzung von Leerständen als Handlungsräume für Kultur und Wissen. www.super-initiative.at Salon Franziska Motto: „Eine Stadt bespielt sich“. Ziel: „Reizinjektion der Bevölkerung für mehr Eigeninitiative.“ Aktivitäten: Spontane und geplante Bespielung des öffentlichen Raumes und Zwischennutzung von Leerständen. www.franziska-salzburg.at Isodance Get fit for the Revolution – (Rücken) Gymnastik für den täglichen Aufstand! (Becken)Gymnastik für eine kritische Haltung. facebook.com/isodance Kouchkartoffel Lesungen im eigenen Wohnzimmer zum Ausbruch aus dem neuen Biedermeier. www.kouchkartoffel.wordpress.com Wolfwetz Elektronikmusikprojekt von Peter Wolfgang Wetzelsberger. Bei Liveperformances oft gemeinsam mit Literaturprogrammen von Marko Dinic. www.wolfwetz.wordpress.com disposed Kreativgruppe und Veranstalter mit der Intention einen Knotenpunkt für ein kreativ-kulturell angesiedeltes Netzwerk zu etablieren. www.disposed.at Freakadelle Musikclub. Label. Tonstudio. Workshopveranstalter. Radiosendungsmacher etc. im Bereich elektronischer Musikkultur. www.freakadelle.at Radiofabrik Das freie Salzburger Radio ist Sprachrohr und Vernetzungspunkt für zahlreiche freie Salzburger Kulturinitiativen. www.radiofabrik.at